Funde

Die Geschichte des Hauses wird maßgeblich auch durch die in der Vorbereitungszeit für die Sanierung gefundenen Gegenstände erhellt. Während der notwendigen Abgrabungsarbeiten traten insbesondere zahlreiche Reste von Gebrauchskeramik zutage, welche eine Geschichte der Nutzung des Hauses über mehrere Jahrhunderte hinweg zeichnen. Leider ist bei den Funden jedoch kein vollständig erhaltenes Exemplar zu verzeichnen. Ein allgemeiner Vergleich mit bekannten Objekten bzw. Fragmenten z. B. aus den Ausgrabungen bei der Burg Kirkel im Saarland sowie auch oder gerade bei Bruchstücken erkennbare Merkmale der Brenntechnik (Reduktionsbrand) und der Formensprache bzw. des (fehlenden) Dekors lassen eine Datierung der ältesten Funde auf das ausgehende 15. bis frühe 16. Jahrhundert, u. U. noch früher zu. Sollte sich bei weiteren Untersuchungen herausstellen, dass verschiedene Funde noch früher zu datieren sind, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Bruchsteinbau/Fachwerkbau an Stelle eines älteren am gleichen Ort stehenden Hauses, vielleicht in der Technik des Ständerbohlenbaus, trat.


[Kännchen mit Ausguss (Ende des 15. Jahrhunderts)]
[Graue Irdenware (Ende des 15. Jahrhunderts)]
[links: Fragment eines Krughenkels; rechts: Bild eines Kruges aus dem Jahre 1390 (Museumsbesitz)]

Die weiteren Keramikfunde lassen sich anhand ihrer Form und der erst bei den jüngeren Stücken vorzufindenden Glasurtechnik vom späten 16. Jahrhundert an fast lückenlos bis in das 19. Jahrhundert einordnen. Stücke mit der seit dem 19. Jahrhundert deutlich überwiegenden allseitigen Glasur sind nicht zu verzeichnen (eine Arbeit über Gebrauchskeramik mit Schwerpunkt im 19. Jahrhundert liegt von Ingolf Bauer, Hafnergeschirr aus Altbayern, Kataloge des bayerischen Nationalmuseums München, Band XV, 1, Deutscher Kunstverlag, 1976, vor). Die Funde setzen sich dabei fast ausschließlich aus Gebrauchskeramik zusammen. Fehlbrände sind nicht zu verzeichnen. Dies kann darauf schließen lassen, dass das Geschirr nicht in situ getöpfert, sondern vielmehr auf Märkten und in Hafnereien zugekauft wurde. Bei der Menge der gefundenen Bruchstücke wäre ansonsten der Fund eines Fehlbrandes durchaus wahrscheinlich gewesen. Vielleicht stammen diese ältesten Keramikfunde aus den nahegelegenen Hafnereien bei Prebrunn/Prüfening, deren Schaffen Wolfgang Endres und Veit Loers in dem Beitrag „Spätmittelalterliche Keramik aus Regensburg“ (1981) anschaulich beschrieben haben.


[Keramikfunde aus verschiedenen Zeiten]

Besonders bemerkenswert unter den Keramikfunden ist weiter die Entdeckung von Bruchstücken eines alten Kachelofens. Soweit aufgrund der gefundenen Bruchstücke ein Vergleich möglich ist ähneln die Fragmente einem vollständig im Kloster Thierhaupten bei Augsburg erhaltenen Kachelofen aus der Renaissance. Zunächst mutete es seltsam an, dass nur vereinzelt Teile dieses offenbar größeren Werkes in den Fehlböden gefunden wurden. Erst viel später, bei einer – eher zufälligen – Freilegung eines alten Fensters zeigte sich, dass die Fenster in Mauernischen eingebaut waren, d. h., dass das Mauerwerk unterhalb der Fenster ursprünglich nur etwa halb so dick war, wie in den übrigen Bereichen. Erst später sind diese Mauernischen mit Bruchsteinen ausgefüllt worden, was an dem im Mauerwerk noch vorhandenen Putzoberflächen der ursprünglichen Nischen gut erkennbar ist. Der zu dem Zeitpunkt der Ausmauerung der Nischen wohl veraltete und u. U. funktionsuntüchtige Kachelofen wurde zertrümmert und ein Großteil der gehärteten Keramikbruchstücke wurde als so genannte „Zwickelsteine“ (kleine Keilstücke zur Verklammerung der unförmigen Bruchsteine, üblicherweise ebenfalls aus Bruchsteinen gehauen) verwendet.

Nunmehr sind jedenfalls - trotz erheblicher Bruchschäden - zumindest Stücke mit hervorragender Ornamentik vorzuweisen. Die Fundstücke sind schwarz glasiert, eine Glasur, die man damals insbesondere wegen ihrer Ähnlichkeit mit dem im Deutschland des 16. Jahrhunderts für verzierte Ofenplatten für Kastenöfen langsam in Mode kommenden, jedoch noch sehr teuren Gusseisen wählte.


[Teile eines alten Kachelofens - im Fundzustand und nach der Reinigung]



[Detail einer Kachel]


[erhaltener Renaissanceofen im Kloster Tierhaupten b. Augsburg (16.Jahrhundert)]

Auch die Ornamentik, z. B. die Darstellung einer Frau, lässt aufgrund der zeitgeschichtlichen Einordnung des dargestellten „Schönheitsideals“ darauf schließen, dass der Kachelofen in der Renaissance (16. Jahrhundert) entstanden ist. Gerade auf die Tatsache des Hauptfundortes der Bruchstücke des Kachelofens in der später erfolgten Ausmauerung der Fensternischen sowie dem Fehlboden kann darauf schließen lassen, dass bereits damals eine (erste) „Modernisierung“ des Hauses durch die Verbreiterung des Mauerwerkes an den zuggefährdeten Fensternischen und die Dämmung des Zwischenraums der damals vielleicht sichtenden Blutbalken mit einer Füllung aus Lehm und Stroh erfolgte.

Es kann aufgrund des Alters des Kachelofens wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass es sich um einen so genannten „zuglosen Hinterlader“ handelte, d. h. einem Ofen, der von einem anderen Raum als dem, in dem er stand (in der Stube), beschickt wurde (hier also der Rußkuchl bzw. der Tenne) und der keinen unmittelbaren Kaminzugang hatte. Wenn dies zutrifft, so kann weiter davon ausgegangen werden, dass die angesprochene „Modernisierung“ und damit die Aufgabe des Kachelofens in die Zeit der Einführung der russischen Kamine und Kindlöfen (ab 1700, teilweise früher), einzuordnen ist. Diese „Modernisierungstheorie“ würde schließlich auch durch die Funde von entsprechend datierten Zinntellern gestützt (vgl. unten).

Das Besondere an den Fundstücken des Kachelofens ist schließlich, dass ein derartiger Ofen nach dem Grad seiner Ornamentik und der geschätzten Dimension eigentlich untypisch für die landwirtschaftliche Nutzung des Hauses ist. Diese Funde legen nahe, dass das Haus in früheren Zeiten anders genutzt und erst später einer Landwirtschaft zugeführt bzw. die landwirtschaftliche Nutzung intensiviert wurde. Freilich ist insbesondere wegen des vergleichbaren Ofens im Kloster Thierhaupten auch der Gedanke zulässig, dass der Kachelofen ursprünglich im Kloster Pielenhofen installiert war und – auf welche Weise auch immer – seinen Weg sodann in unser Haus fand. Unterstrichen wird die erste Vermutung jedoch durch weitere, für eine Landwirtschaft untypische Funde. Erwähnt sei schließlich nochmals die frühe Existenz des enormen Stallanbaus, der ebenfalls auf einen später in Vergessenheit geratenen „herrschaftlichen“ Lebensabschnitt des Anwesens hindeutet.

Vielleicht kann angenommen werden, dass unser Haus aufgrund der besonderen Lage an der engsten Stelle eines Tales, welches von Osten her auf das im Mittelalter sehr aktive Kloster und die für den mittelalterlichen Güterverkehr wichtige Naab zuführt, u. U. als Zollhaus oder für andere „obrigkeitliche“ Zwecke genutzt wurde. Ein genauerer Blick auf eine Karte der Naab in Richtung Regensburg zeigt nämlich, dass die von unserem Haus „bewachte“ Furt im umliegenden Bergland des Oberpfälzer Juras diejenige Stelle ist, die den besten und der Donau am nächsten gelegenen, ebenen (d. h. problemlos auch mit Gütern befahrbaren) Zugang zur damals schiffreichen Naab bot. Auch dies bedarf jedoch noch näherer Untersuchung.

Die Entsorgung des verrotteten Fehlbodens in den Geschossdecken lieferte schließlich weitere wertvolle geschichtliche Hinweise. Hervorzuheben sind hier inter alia drei Entdeckungen. Erstens der Fund von zwei Bilderrahmen, deren Ausführung nach Ansicht eines renommierten Restaurators auf ein Alter von mindestens 200 Jahren schließen lässt (leider fehlten die zugehörigen Bilder). Ein Rahmen besticht durch eine für damalige Verhältnisse aufwändige Profilierung. Die Oberflächenstruktur besteht aus Bronze und gebrochenem Weiß. Der andere Rahmen überzeugt bei vergleichsweise schlichterer Profilierung insbesondere durch seine blaumetallisch anmutende Oberflächenbehandlung. Zur Erzielung dieses „Metallic-Effektes“, der damals nicht direkt technisch zu bewerkstelligen war, behalf man sich eines Umweges. Der Rahmen wurde zunächst versilbert. Anschließend wurde auf die versilberte Oberfläche eine semitransparente Schicht aus Kobalt aufgetragen. Das durchscheinende Silber ließ so das Kobaltblau metallisch glänzen.

[Ein im Fehlboden gefundener Rahmen. Die Detailaufnahme rechts zeigt die Überdeckung des
Silbers mit Kobalt, eine damals gängige Methode, um einen "Metalliceffekt" zu erzeugen.]

Zweitens der Fund einer Madonnenfigur im Fehlboden über der Rußkuchl, die wohl auf das 17. Jahrhundert zu datieren ist. Die Figur ist aus Gips gefertigt. In der Bemalung wurde die gleiche Technik angewendet, wie sie bereits oben bei den Bilderrahmen geschildert wurde, das heißt, unter einer Schicht aus Kobalt und Gold wurde Farbe aufgetragen, um einen glänzenden Effekt zu erzielen. Bemerkenswert sind auch die Hände der Figur (die rechte Hand fehlt), die im Gegensatz zum Korpus aus Bernstein gefertigt sind und in passende Öffnungen eingefügt wurden. Vermutlich handelt es sich bei der Figur, deren Haupt leider fehlt, um ein Relikt des damals im Haus zu vermutenden so genannten „Herrgottswinkels“, welcher seit dem 17. Jahrhundert in keiner Stube fehlen durfte.

[Madonna]

Drittens der Fund eines seltenen Zinntellers des Regensburger Zinngießers Hans-Peter Förster aus dem Jahre 1683. Die relative Seltenheit dieses Zinntellers wird nach Ansicht des zu Rate gezogenen stellvertretenden Direktors der Städtischen Museen Regensburg dadurch unterstrichen, dass der maßgebende Referenzband „Süddeutsche Zinngießer“ [genaues Zitat] nicht mit einem Abdruck des damals zur Verifizierung des für die Tauglichkeit als Essgeschirr erforderlichen Zinnstempels dienen kann (wegen des Bleigehalts im Zinn wurde das produzierte Essgeschirr der Zinngießer von der Zunftaufsicht kontrolliert und nur bei entsprechend geringem Bleigehalt freigegeben – entsprechend dieser Praxis wurde dem genannten Zinngießer Hans-Peter Förster z. B. im Jahre 1694 eine so genannte „schlechte Zinnprobe“ nachgewiesen). Darüber hinaus erstaunt die Signatur deswegen, weil Hans-Peter Förster nachden vorliegenden Dokumenten erst im darauffolgenden Jahr 1683 das Regensburger Bürgerrecht erwarb.

Der Zinnteller ist mit den Initialen und dem „Wappen“ wohl des damaligen Besitzers des Hauses (H. S.) sowie den Buchstaben HF graviert. Die amateurhaft anmutende Gravur der Darstellung und der Initialen sowie die Tatsache der Unterschiedlichkeit der jeweiligen Gravuren in Ihren Details kann darauf schließen lassen, dass entweder diese Gravuren nicht seitens des beauftragten Zinngießers, sondern vielmehr durch die Person H. S. selbst, oder aber zu verschiedenen Zeiten und ohne entsprechende Vorlage erfolgten. Die Form der Darstellung könnte darauf schließen lassen, dass es sich bei dieser Person um einen Vertreter des – damals hoch angesehenen – Metzgerberufs handelte. Dies wiederum könnte erklären, warum die handbehauenen Deckenbalken der Geschossdecken ursprünglich mit Ochsenblut gestrichen waren, wenngleich zuzugeben ist, dass eine derart martialische Bemalung im mittelalterlichen Zeiten aufgrund des zu erzielenden Rottones wohl nicht unüblich war, wie selbst das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege meint, wenn es anleitet, dass „wo Fachwerk zu streichen ist, Ölfarbe im allgemeinen nicht verwendet werden [soll]. Der schönste und sozusagen klassische Anstrich wird aus frischem Ochsenblut mit geringem Leinölzusatz hergestellt“. Jedenfalls aber deutet die blutrote Farbgebung auch auf das angenommene Alter des Hauses hin.

[Zinnstempel des Regensburger Zinngießers Hans-Peter Förster]
[Befund von Ochsenblutrot an den Rußbäumen]

Eine dendrochronologische Untersuchung der Holzteile des Hauses und des Stalles steht noch aus. Auch wenn anzunehmen ist, dass durch Um- und Ausbauten verschiedene Datierungen nachgewiesen werden, ist davon auszugehen, dass sich bei geschickter Wahl der Holzproben aus dieser Untersuchung weitere bzw. genauere Aufschlüsse über das Alter des Hauses gewinnen lassen. Vielleicht bestätigen konkrete Ergebnisse der Dendrochronologie die bisherige Vermutung, dass das Haus um die Mitte des 17. Jahrhunderts erbaut wurde. Während ich diese Zeilen schreibe werde ich noch neugieriger auf die Geschichte unseres Hauses und nehme mir ernsthaft vor, im nächsten Urlaub Zeit für den Besuch der Staatsarchive einzuplanen. Diese Ehre will ich jedenfalls den unbekannten Menschen erweisen, die dieses Haus ursprünglich erbaut hatten. Nun, da ich nämlich selbst mit Hand an den Bau gelegt und trotz modernsten Gerätes die Strapazen dieses Handwerks kennen gelernt habe, hege ich umso tieferen Respekt vor den Baumeistern des Spätmittelalters, die jeden Bruchstein und jeden Balken mit bloßen Händen und einfachsten Werkzeugen bearbeitet haben.

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