Villa rustica

Unter „Altbausanierung“ verstanden wir unausgesprochen stets die Sanierung und Revitalisierung eines alten Bauernhauses. Zum heutigen Zeitpunkt der Umsetzung liegen wir damit sogar in einem proklamierten Trend. In der Vergangenheit war die öffentliche Meinung über Bauerhäuser hingegen relativ verurteilend. Trotz oder gerade wegen ihres teilweise immensen Alters sind Bauernhäuser meistens vollständig abgerissen worden, um Platz für modernere, scheinbar zukunftsträchtigere Nutzungsformen zu schaffen (auch uns wurde von dieser „modernen“ Generation ausnahmslos geraten, das Haus vollständig abzureißen). Gerade in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind viele Bauerhäuser diesem unreflektierten Modernisierungswahn zum Opfer gefallen. Hatte man sich in Stadthäusern wenigstens darauf „beschränkt“, Stuckwerk zu entfernen, so wollte man sich in ländlichen Gegenden völlig von dem rustikalen Charakter der Baulichkeiten befreien und auch auf dem Dorf ein „Stadtbild“ schaffen.

In der Literatur über Bauernhäuser wird diese schonungslose Demontage alten Bauerngutes zu recht bitterlich verurteilt. Als Konsequenz werden noch erhaltene Anwesen von Denkmalschützern mütterlich behütet, teilweise wurde sogar mit Plakaten und Ausstellungen um den Erhalt geworben (z.B. mit der Photoausstellung „Das Waldlerhaus – ein sterbender Haustyp“ im Jahre 1981). In Bayern wurde in Illerbeuren bereits im Jahre 1954 das erste Freilandmuseum für Bauernhäuser eröffnet. Speziell für die Oberpfalz existiert ein solches Museum in Neusath-Perschen (meines Wissens gibt es kein einziges Freilandmuseum für modernen Siedlungsbau).

Das geschilderte Bild kann den Liebhaber von oder Liebäugler mit Bauernhäusern umso sentimentaler stimmen, als moderne Wohnzeitschriften stets bemüht sind, die ländliche Idylle zu loben und das Grüne auch in die Stadt zu holen. Zahlreiche Zeitschriften propagieren die Einfachheit, mit der „rustikales Flair“ oder „ländlicher Charme“ schon mit geringen Investitionen in die Produkte der in der Zeitschrift werbenden Firmen in Stadtwohnungen geholt werden kann um dort für „natürliches Ambiente“ zu sorgen. Freilich wird das Wohnen in einem Bauernhaus im Oberpfälzer Land keine ernsthafte Alternative für einen Düsseldorfer Unternehmensberater darstellen. Freilich kann auch nicht übersehen werden, dass mit zunehmender Wohnungsnot und steigenden Preisen gerade für junge Familien die einzige Chance auf ein Eigenheim in einem Haus auf dem Land liegt. Gerade der radikale Widerstand der Denkmalschutzbehörden gegen ein Modernisierung von Bauerngütern und die dies vermittelnden enormen Anforderungen an den Erhaltungsumfang tragen jedoch heute leider dazu bei, dass viele alte Anwesen aufgrund mangelnder Finanzierbarkeit der denkmalgerechten Erhaltung weiter verfallen.

Vorliegend geht es jedoch nicht um eine generelle Diskussion des zukünftigen Umgangs mit dem Bauernhaus „an sich“, sondern um die Darstellung eines konkreten Vorhabens. Vielleicht gelingt es uns zu zeigen, dass die Initiative trotz aller damit verbundenen Widrigkeiten eine Alternative zum Fertigbau darstellt. Es geht auch darum, dass die Natur der Bauernhäuser und die durch sie im Wohnstil vermittelte Gemütlichkeit lange unterschätzt wurde und erst in jüngster Zeit aufgrund zahlreicher Faktoren wieder eine Renaissance in der breiten Bevölkerung erlebt. Auf uns hat die Individualität eines alten Bauernhauses seit jeher eine enorme Faszination ausgeübt, zu deren Realisierung uns glückliche Umstände in die Lage versetzten. Dabei haben wir uns bemüht, aus der Sanierung eines Bauernhauses nicht per se auf die Notwendigkeit eines "Landhausstils" zu schließen. Vielmehr haben wir entsprechend unseren Lebensgewohnheiten durchaus urbane und moderne Elemente integrieren wollen. Unser Motto hieß ja schließlich auch "Ursprung & Utopie".

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